II. Der kranke Mensch - Ansteckende Krankheiten und Krankheitserfahrung
Die Pest war seit dem Mittelalter zwar mit Abstand
die schrecklichste Seuche, die Menschen mußten während
und zwischen verschiedenen Pestausbrüchen jedoch eine große
Anzahl weiterer Infektionskrankheiten ertragen, deren retrospektive
Diagnose - wie auch die der Pest selbst - aufgrund der oft unspezifischen
Beschreibungen in den Quellen heute nicht immer möglich ist.
"Hitzige Fieber" und "Pestilentz" galten generell
als Namen für mit hohen Krankheits- und Sterberaten einhergehende
Infektionen.
Ihre Erfahrungen mit diesen Krankheiten, ihren Umgang mit Kranken
und von der Krankheit Bedrohten, mit deren Ängsten und Leiden,
auch deren Hoffnung und Genesung, überlieferten uns zahllose
Theologen und Ärzte, auch Wundärzte oder Chirurgen,
kaum allerdings Mitglieder anderer Heilberufe, in den gedruckten
Seuchen- und Erbauungsschriften. Leichenpredigten beschreiben
die Leidens- und Sterbegeschichte ganzer Familien. In großer
Zahl brachte der frühe Buchdruck Werke hervor, die die Erlebnisse
und Gefühle aus den argen Seuchenzeiten in literarischer
Form umsetzten.
Sehr viel seltener sind uns die persönlichen Krankheitserfahrungen
der an den ansteckenden Fiebern Erkrankten in Büchern überliefert.
Brachten sie ihr Denken, ihre Eindrücke und Gefühle,
ihre Angst zu Papier, so geschah das beinahe immer in Briefen,
Tagebüchern oder ähnlichen handschriftlichen Medien;
selten wurden solche Dokumente zu Lebzeiten in gedruckter Form
veröffentlicht, sei es, weil die Betroffenen ihrer Krankheit
zum Opfer gefallen waren, wie Martin Opitz, sei es, weil es nur
wenigen möglich war oder für sie auch kaum nahelag,
ein biographisches Werk drucken zu lassen. Eine solche für
die Medizin- und Kulturgeschichte wertvolle gedruckte Quelle hinterließ
der an der Syphilis leidende Humanist Ulrich von Hutten seiner
Nachwelt.