27. Februar 2023
Mit seiner Empfehlung im Jahr 2016 hat der Rat für wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen (RfII) den Anstoß für den Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) gegeben. Dieser Empfehlung ist die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) 2018 gefolgt. Mit der NFDI soll eine dauerhafte digitale Infrastruktur für Deutschland geschaffen werden, um dem Problem entgegenzuwirken, dass Daten derzeit meist dezentral, projektbezogen und/oder nur für einen begrenzten Zeitraum verfügbar sind. Ziel ist die systematische Bereitstellung von Forschungsdaten nach den sog. FAIR Data Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable).
In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) organisierten Auswahlverfahren, wurden in drei Ausschreibungsrunden insgesamt 27 Konsortien, die die gesamte Bandbreite wissenschaftlicher Disziplinen repräsentieren, ausgewählt und erhalten Förderung. Das Konsortium Text+, das sich auf geistes- und kulturwissenschaftliche Sprach- und Textdaten spezialisiert hat, war in der zweiten Runde erfolgreich und wird seit Oktober 2021 gefördert. Innerhalb von Text+ werden die Daten derzeit nach den drei Datendomänen oder Task Areas (TA) digitale Sammlungen, lexikalische Ressourcen und Editionen strukturiert. Neben den fünf antragstellenden Institutionen, dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, Mannheim (IDS), der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste (AWK NRW), beteiligen sich rund dreißig Institutionen als geförderte Partner an Text+, sowie darüber hinaus verschiedene wissenschaftliche Gesellschaften, Verbände, Verbünde und Fachinformationsdienste. Die HAB fungiert als Daten- und Kompetenzzentrum in der TA Editions in den Clustern 'Antike und mittelalterliche Texte' und 'Frühe Neuzeit, Moderne und zeitgenössische Texte'.
In der TA Editions arbeiten Kolleg*innen mit sehr unterschiedlichen fachlichen Hintergründen aus insgesamt elf Institutionen zusammen, um die Bedürfnisse der geisteswissenschaftlichen Community zu erfüllen. Diese werden auf mehreren Ebenen adressiert, organisiert in fünf sog. Measures (M).
In M1 (Reference Implementation) der TA Editions wird ein kuratiertes Verzeichnis von Editionen erstellt. Ziel ist es, die Sichtbarkeit und Zugänglichkeit von Editionen zu erhöhen und den Zugang zu Forschungsdaten zu erleichtern. Der Mehrwert gegenüber existenten Katalogen ergibt sich dabei aus der gemeinsamen Erfassung sowohl gedruckter als auch digitaler Editionen sowie abgeschlossener und laufender Projekte, aus der erstmaligen Berücksichtigung der FAIR-Prinzipien und der Verknüpfung mit einer (in M5 aufzubauenden) Software-Registry, um auch die technische Genese einer Edition nachvollziehbar zu machen. Die Editions-Registry ist Teil einer übergreifenden Text+-Registry (vgl. Abb. 2), die Ressourcen der verschiedenen Datendomänen miteinander in Beziehung setzt.
M2 (Portfolio Development) bildet die zentrale Schnittstelle innerhalb der TA, da dort das Portfolio, das die Text+-Partner in das Konsortium einbringen, erhoben und regelmäßig erweitert wird. Die Kommunikation dieses Portfolios, das Daten, Services aber auch Expertise umfasst, nach innen (Berichtswesen) und nach außen (Wissenschaftskommunikation) ist ebenfalls Bestandteil von M2. Da eine Kernaufgabe der TA Editions darin besteht, Empfehlungen für die Erstellung, Verarbeitung und Publikation von Editionsdaten zu entwickeln, liegt ein Schwerpunkt auf deren Standardisierung (M3). Ebenso steht die Befähigung von anderen durch ein umfassendes Schulungs- und Beratungsprogramm (M4) im Zentrum der Arbeiten. Die Anwendung der FAIR-Prinzipien wird für digitale Ressourcen zunehmend wichtiger, ist aber im Kontext (digitaler) Editionen noch nicht eingehend diskutiert worden. Im Rahmen von M3 wird daher der Diskurs über best practises bei der Erstellung und Veröffentlichung digitaler Editionen im Allgemeinen und bei der Anwendung der FAIR-Prinzipien im Besonderen gefördert, was hoffentlich in allgemein anwendbaren Empfehlungen für die wissenschaftliche Community resultiert. Im Bereich der Beratung wurde eine Umfrage durchgeführt, um mehr über die Kernthemen, vorhandene Expertisen und die Beratungspraktiken der an der TA beteiligten Partner zu erfahren. Die Ergebnisse bilden die Basis für eine Kompetenzmatrix, die dazu beitragen soll, Beratungsangebote auf die vorhandenen Bedürfnisse passgenau zuzuschneiden und Experten für bestimmte Bereiche zu identifizieren.
Neben den bereits erwähnten Schulungen, Workshops und Beratungsangeboten, die allen Interessierten offen stehen, bietet Text+ weitere Möglichkeiten zur Teilhabe am oder Kooperation mit dem Konsortium: Text+ kooperiert mit RIDE, einem Open-Access-Rezensionsjournal für die Besprechung digitalen Editionen, Textsammlungen sowie Werkzeugen und Forschungsumgebungen für digitale Editionen. Eine erste gemeinsame Ausgabe (von insgesamt drei), die sich dediziert mit der FAIRness von digitalen Editionen beschäftigt, wird in Kürze erscheinen. Der call for reviews läuft weiterhin, so dass Interessierte gerne mit den Herausgeberinnen in Kontakt treten können. Es besteht die Möglichkeit, Ressourcen für eine Rezension vorzuschlagen, selbst als Rezensent*in tätig zu werden und/oder als externer peer reviewer im Double-Blind-Peer-Reviewverfahren die Qualität der Veröffentlichungen sicherzustellen.
Ein weiteres Beispiel, wie sich einzelne Forschende an Text+ beteiligen können, ist das Text+ Blog, das im November 2022 gelauncht wurde. Die Beiträge befassen sich mit allen möglichen Themen rund um Text+ und die NFDI, darunter Informationen über Veranstaltungen, Ankündigungen, Werkstattberichte, Einblicke in alle TAs, Informationen über Partner, die Vorstellung von Ressourcen, opinion pieces usw. Neben Beiträgen des Redaktionsteams und von Text+-Mitarbeitenden sind auch Gastbeiträge sehr willkommen, die Wissenschaftler*innen die Möglichkeit geben, über ihre eigene Arbeit, Ressourcen, Projekte und dergleichen zu berichten oder über bestimmte Themen in den Fokus zu stellen.
Interessanter noch, weil damit auch Fördermittel verbunden sind, sind die sogenannten Flexfunds. Das Konsortium vergibt Geldmittel, um sein Angebot an Daten und Diensten zur Nutzung durch die wissenschaftliche Community kontinuierlich zu erweitern. Die Ausschreibungen werden jährlich veröffentlicht, wobei erfolgreiche Antragstellende eine Förderung für ein Jahr erhalten. Die Mittel sind nicht dazu gedacht, neue Ressourcen von Grund auf aufzubauen, sondern z.B. vorhandene Daten so aufzubereiten, dass sie über ein Text+ Datenzentrum verfügbar gemacht werden können, ein Projekt um entsprechende Funktionalitäten zu erweitern oder eine Pilotstudie durchzuführen. Die nächste Runde der Ausschreibungen (für Förderung im Jahr 2024) hat gerade begonnen.