Bildungsreisen waren in der Frühen Neuzeit für adlige und bürgerliche Eliten eine zentrale Wissenspraktik, die der Aneignung von Kenntnissen ebenso wie der Entwicklung des Selbst diente. Die Herzog August Bibliothek verfügt über einen großen Bestand von Beschreibungen solcher Reisen, die für die Selbstzeugnisforschung und darüber hinaus erschlossen und mit neuen Methoden digital ediert werden.

Frühneuzeitliche Bildungsreisen wie die Grand Tour waren als rite de passage eine wichtige Etappe in der persönlichen Entwicklung von Angehörigen adliger und bürgerlicher Eliten. Hiervon zeugen zahlreiche Berichte und Tagebücher. Ihre besondere, jedoch bisher nicht beforschte Bedeutung für die Selbstzeugnisforschung ergibt sich daraus, dass sie die Differenzerfahrungen der Reisenden weniger als Alterität festhalten und bewerten, vielmehr wird das erfolgreiche Bewältigen der fremden Erfahrung und Umgebung in den Vordergrund gestellt.

Im Fokus dieses Erschließungsvorhabens stehen 24 größtenteils deutschsprachige Reisetagebücher (insgesamt ca. 10.300 Seiten), die zwischen 1550 und 1770 von jungen Männern verfasst wurden und sich in der Herzog August Bibliothek (HAB) sowie zu einem geringen Teil im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel befinden. Fünf Texte, einer davon mit drei Abschriften, werden darüber hinaus teilautomatisiert mit der Handschriftenerkennungssoftware Transkribus transkribiert und in TEI-XML kodiert. Mit dem Verfahren der named entity recognition werden sie erschlossen und durch die Verschränkung von Text und Reiseroute visualisiert. Dies dient der experimentellen Entwicklung eines neuartigen editorischen Arbeitsprozesses, was durch eine Kooperation mit Prof. Dr. Thomas Mandl (Institut für Informationswissenschaft, Universität Hildesheim) unterstützt wird. Der Workflow und seine Entwicklung werden in einem Blog (https://grandtourdig.hypotheses.org/) dokumentiert und als Modell zusammen mit den Texten und Forschungsdaten im Selbstzeugnis-Forschungsportal (selbstzeugnisse.hab.de) sowie über den GitLab-Server der HAB zur freien Nachnutzung langfristig angeboten.

Über die Handschriftendatenbank der HAB gelangen Sie zu einer Übersicht der im Projekt bearbeiteten Grand Tour-Tagebücher und deren Digitalisate.

Bildunterschrift: Skizze eines Dreigesichts am berühmten „Großen Fass“ im Heidelberger Schloss (1664) (Cod. Guelf. 149.14 Extrav.)

 

Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Laufzeit: August 2022 - Juli 2025

 

Projektbeteiligte: Angela Göbel (Bearbeiterin), Maximilian Görmar (DH-Mitarbeiter), Prof. Dr. Thomas Mandl (Kooperationspartner, Universität Hildeheim)

PURL: http://diglib.hab.de/?link=114