Sperrfrist, 11.12.2024, 14 Uhr

Ab 16 Uhr finden Sie im Downloadbereich weitere Pressefotos von der Präsentation in der Wolfenbütteler Bibliothek

 

Mit dem Erwerb der Handschrift ergänzt die Herzog August Bibliothek gezielt ihren Bestand an Handschriften aus norddeutschen Frauenklöstern. Das Werk soll dauerhaft der Forschung und Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Erwerbung stärkt die Forschung zur spätmittelalterlichen Buchkultur und zur Rolle der Frauenklöster in Niedersachsen, indem sie eine inhaltlich und künstlerisch bedeutende Quelle bereitstellt.

 

Dazu Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Dass das Medinger Osterorationale künftig in der Herzog August Bibliothek aufbewahrt wird, die zu den weltweit führenden Forschungszentren für die Kulturgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit gehört, freut mich besonders, auch weil dieses historisch wertvolle Kulturgut nun im Land Niedersachsen, eingebettet in seinen regionalgeschichtlichen Kontext, der Forschung zur Verfügung stehen wird und der Öffentlichkeit vermittelt werden kann. Die Kulturstiftung der Länder hat diese Erwerbung daher sehr gerne unterstützt.“

 

Dr. Thela Wernstedt, Präsidentin der Klosterkammer Hannover: „Als Klosterkammer Hannover sehen wir es als unsere zentrale Aufgabe und Verantwortung, das reiche kulturelle Erbe der niedersächsischen Klöster zu bewahren und zugänglich zu machen. Diese Handschrift ist ein herausragendes Beispiel dafür: Sie erzählt Geschichten von der Frömmigkeit und dem intellektuellen Leben der Frauenklöster, die einst prägende Bildungsorte unserer Region waren und es heute noch sind.“

 

Äbtissin Dr. Kristin Püttmann, Kloster Medingen: „Es freut mich sehr, dass dieses besonders schön illustrierte Handschriften-Exemplar für die HAB erworben werden konnte. Die liebevoll gestalteten Zeichnungen sind ein wunderbarer Zugang zur kreativen Ideenwelt der spätmittelalterlichen Medinger Nonnen.“

 

Prof. Dr. Peter Burschel, Direktor der Herzog August Bibliothek: Mit dem Medinger Osterorationale erwirbt die Herzog August Bibliothek eine Handschrift, die ihre Gebetbuchsammlung profiliert – und für die Forschung noch attraktiver macht. Die Untersuchung von Gebetbüchern ist integrativer Teil unseres Forschungsfeldes „Religion und Emotion“. Neben interreligiösen Perspektiven findet dabei auch die Materialität religiöser Emotionen besondere Beachtung. Auch an Gebetbüchern lässt sich zeigen, wie im Umgang mit Dingen eine spirituelle Aura entstehen kann.“

 

Das Osterorationale ist ein herausragendes Beispiel für die Buchherstellung und Gestaltung der Medinger Nonnen im späten 15. Jahrhundert, die ihre religiöse Praxis und persönliche Andacht prägte. Es repräsentiert die vorreformatorische Religiosität von Frauen, die durch die zahlreichen, jedoch weltweit verstreuten Handschriften aus Medingen besonders gut erforscht werden kann. Mit einzigartigen ikonographischen Merkmalen und Ergänzungen aus der Zeit nach der Reformation zeigt es die fortdauernde Nutzung. Das Werk wird nun dauerhaft in der Region seiner Entstehung aufbewahrt.

 

Die kleinformatige Handschrift aus dem Zisterzienserinnenkloster Medingen enthält lateinische sowie niederdeutsche Gebete und Meditationen zum Osterfestkreis, beginnend mit dem „Exultet“, dem Lobgesang auf die Osterkerze. Sie wurde auch nach der Reformation weiterhin genutzt. Mit einer Neubindung im 16. Jahrhundert versehen, ist sie reich mit gut erhaltener Buchmalerei in Deckfarben und Gold verziert. Die Darstellungen verbinden biblische Szenen mit der persönlichen Frömmigkeit der Konventsmitglieder auf kunstvolle Weise. Die Handschrift und ihr Einband befinden sich in einem guten Erhaltungszustand.

 

Die neu erworbene Handschrift aus Medingen ist als Cod. Guelf. 84 Noviss. 12° bereits digitalisiert und kann im Handschriftenportal der HAB eingesehen werden: HAB – Handschriftendatenbank – Handschrift 84-noviss-12f.

 


Abbildung: Liber precum / Osterorationale, Kloster Medingen (1467–1479), Aufgeschlagen ist die Doppelseite 2v-3r mit Texten zur Feier der Osternacht, in der an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten erinnert wurde. Die Darstellung am unteren Rand der beiden Seiten zeigt diesen Exodus, wobei Mose mit seinem Stab und mit der Hilfe eines Engels das Rote Meer teilt, den Untergang des Pharao und der Ägypter in den Fluten und den Triumphgesang der Israeliten.