Die Praxis des Kommentierens soll in der anvisierten Tagung als Kulturtechnik in ihren verschiedenen thematischen, medialen und historischen Ausprägungen entfaltet werden. Damit ist auch, aber nicht ausschließlich, die Textsorte ‚Kommentar‘ im engeren Sinne Gegenstand der Auseinandersetzung. Die Praxis des Kommentierens eignet sich, lange bevor sie sich in philologischen oder anderen Kommentaren manifestiert, für eine anthropologische Wesensbestimmung. Der Mensch ist das kommentierende Tier schlechthin. Welt- und Selbstbezug des Menschen sind immer schon sprachlich vermittelt, somit angewiesen auf Sprache, die als uneindeutige und missverständliche von Negativität gekennzeichnet und so permanent ergänzungsbedürftig ist. Wenn Rilke in der ersten Duineser Elegie von den „findigen Tieren“ spricht, die es „merken …, dass wir nicht sehr verlässlich zuhause sind | in der gedeuteten Welt“, so fokussiert er damit den Ursprung einer die Menschen permanent begleitenden Praxis des Kommentierens, welche die Not eines auf die arbiträre Sprache angewiesenen Mängelwesens kompensiert. Bereits der Spracherwerb des Kindes, die sukzessiv erfolgende Einführung in die sprachlich vermittelte Welt, vollzieht sich im Modus permanenter sprachlicher Ergänzung des Gegebenen durch die Dialogpartner, wobei einerseits der Bezug auf Sachverhalte der Welt erfolgt, andererseits fast mehr aber noch auf die Sprache selbst. Solche dialogische Kommentierung der Welt beim Spracherwerb entfaltet sich als Arbeit der Kontextualisierung von Sachverhalten und Ausdrücken, und solche Arbeit vermittelt Normen.
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