Auch auf den Landstraßen Europas, in kleinen Dörfern und in abgelegenen Gasthöfen konnte man im langen 18. Jahrhundert jederzeit dem Exotischen und der ‚großen weiten Welt‘ begegnen – nicht regelmäßig oder ständig und auch nicht in Form eines breiten Angebots an Kolonialwaren, aber doch immer wieder und in teilweise sehr beeindruckender Unmittelbarkeit. Missionare aus China wie der Jesuit Martino Martini, der an vielen Höfen Europas auftrat und für die Mission in Asien warb, reisten mit ihrem exotischen Gepäck auch durch die deutsche Provinz und hinterließen dort bleibende Eindrücke; nordafrikanische Galeerensträflinge zogen in Gefangenentrecks durch Frankreich und erlaubten Menschen in kleinen Dörfern weitab der Hafenstädte Begegnungen mit Fremden; ‚Türken‘ aus dem Osmanischen Reich lebten als menschliche Souvenirs der Großen Türkenkriege auf abgelegenen Gutshöfen Seite an Seite mit der lokalen Bevölkerung in täglichem Kontakt. Die wachsende Zirkulation von Menschen, Dingen und Ideen innerhalb Europas und zwischen Europa und den anderen Weltteilen führte nicht nur in den Knotenpunkten Europas (den berühmten „hubs“) zu intensivierter Vernetzung, sondern auch in der Breite des „Hinterlands“ machte sich das Ferne zusehend bemerkbar. Die Tagung macht sich diese Beobachtungen zu eigen und fragt in systematischem Zugriff danach, wie Wissen um die weite Welt in die Dörfer und vermeintlichen Peripherien Europas gelangte.
Keynote lecture: Ben Marschke (Arcata/California): The World, as Seen from Hermersdorf. The Reading, Reception, and Retelling of Exotic News in Eighteenth-Century Villages