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Ein
Schlangenstein, wie er Herzog August von Kircher übersandt worden war
Michael Bernhard Valentini. Museum Museorum, oder vollständige Schau=Bühne
aller Materialien und Specereyen [...]. Frankfurt: Zunner 1704.
Kircher hatte erstmals in Michael Boyms Flora
sinensis, fructus floresque von 1656 [1] von Schlangensteinen
gelesen und spätestens Ende des Jahrzehnts ein Exemplar aus China
erhalten. 1662 schickte er Herzog August einen für seine Sammlungen,
was diesen zu Rückfragen über "la piedra de la Cobra"
veranlaßte, die Kircher im August 1664 beantwortete. Diese "Steine"
sollten primär zur Bekämpfung von Schlangenbissen auf die Bisswunde
gesetzt werden und dort gleichsam magnetisch haften, bis sie von Gift
vollgesaugt abfielen. Darüber hinaus, wie Valenti in seinen weiteren,
den Wissensstand des 17. Jahrhunderts wiederspiegelnden Ausführungen
bemerkt, hätte der im Kopf einer ausgewachsenen "Cobra de Cabelos
oder Cobra Capello" gefundene Stein in der Größe eines
Groschen auch andere therapeutische Anwendungen. Unter den auf S. 508
aufgeführten Quellen finden sich "Kirchers Magneticum naturæ
regnum (1667) und China illustrata (1667)". Um das Gift
zu entfernen, genüge es, den Stein 10-12 Stunden "in Frauenmilch
/ oder wann solche nicht zu haben / in Kühmilch" liegen zu lassen.
Kircher berichtete in der China [...] illustrata 1667 ausführlich
von seinen Gesprächen mit dem Jesuiten Boym und dem in Indien eingesetzten
Heinrich Roth über die in China nur in der Provinz Quam-si von Eingeweihten
aus den Köpfen von Cobras entfernten Steine, wobei Roth hinzufügte,
dass ähnlich wirksame Steine in Indien von Brahmanen auch aus Köpfen,
Herzen, Lebern und Zähnen der Schlangen zusammengebraut würden.
Damit jedoch, so meinte er, seien Fälschungen Tür und Tor geöffnet,
da echte Exemplare sehr hoch bezahlt wurden.
Mit seinem eigenen Versuch im Jahre 1663 wollte Kircher, der von Roths
erfolgreichem Einsatz der medizinischen Steine in Indien wußte,
ihre Wirksamkeit experimentell bestätigen. Nachdem der Versuch an
einem Hund "vor verwunderten Zeugen" glückte und ein kurz
darauf von einer Viper gebissener Landarbeiter von einem anderen römischen
Naturforscher mit einem Schlangenstein erfolgreich geheilt wurde, schien
ihm jeglicher Zweifel beseitigt. In dem von Valentini zitierten Buch über
den Magnetismus [2], das Kircher 1667 im gleichen Jahr
wie die China [...] illustrata herausgab, ging er noch ausführlicher
auf sein Experiment ein und suchte eine Erklärung der Wirksamkeit
dieser Steine in den das ganze Universum durchdringenden magnetischen
Kräften.
Kirchers Beurteilung des Schlangensteins blieb nicht unwidersprochen.
Francesco Redi, Leibarzt der Medici und Naturphilosoph, hatte 1664 ein
viel beachtetes Werk über Giftschlangen veröffentlicht und kleidete
1671 seine Kritik an Kirchers Experiment in einen langen Brief an den
Jesuiten ein, der in Florenz erschien [3]. Im Gegensatz
zu diesem führte er mehrere Jahre lang wiederholt Versuche aus, die
ihn letztlich davon überzeugten, dass Schlangensteine bei Vipernbissen
wirkungslos seien. Damit entfachte Redi eine Debatte, die noch kurz vor
Kirchers Tod 1677 in einer Verteidigung seines Schülers Giuseppe
Petrucci gipfelte. Valentinis Diskussion spiegelt 1704 deutliche Zweifel
sowohl bezüglich der Therapie als auch der Herkunft der Steine wieder,
denn die nur in "Ost=Jndien in des grossen Mogols Reich hin und wider
gefundenen" Cobras reichten zur Bedarfsdeckung in Europa, wohin die
Steine von Missionaren gesandt wurden, schon bald nicht mehr aus. Deswegen
regt sich bei Valentini die Befürchtung, solche Steine würden
häufig auf andere Art hergestellt, was ja schon Heinrich Roth angedeutet
hatte, und seien damit oft wirkungslos.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Eintrag über Schlangensteine
im handschriftlichen Gesamtkatalog der Kunst- und Naturalienkammer des
Halleschen Waisenhauses aus dem Jahre 1741 [4]. Die
beiden heute nicht mehr vorhandenen Steine - einer aus China, der andere
aus Malabar - wurden von dem damaligen Gestalter und Organisator des Kabinetts,
Gottfried August Gründler, folgendermaßen verzeichnet:
24.G/25G: Zween Indianische Schlangen-Steine, (Lapis
Serpentinus, Seu Pedra della Cobra item Ophites) Diese Steine sollen
dem Vorgeben der Indianer nach, von einer Schlange, welche Cobra Capelo
heißt kommen. Die Beschreibung davon vid.Sebae. Thes. Tom. 11.
pag. 150. Item Rumph. pag. 303. Valent. Mus. pag. 507. Es sind diese
Steine ihrer Substanz nach nichts anders als Stückchen von einem
schwärtzlichen Corallen Gewächse, welche nach beliebiger
Form abgeschliffen sind [...]. |
Auch Gründler bezweifelte somit die von
"Indianern", d.h. Indern, angegebene Herkunft, verwies auf Valentini
als neueste Quelle und identifizierte die Steine als Korallengewächse,
was bei ihrer porösen Oberflächenstruktur durchaus möglich
war. [s.a Schlangenstein]
[1]
Wien: Rictius; unpaginiert, Abb. Z. Dazu Baldwin, Martha. "The Snakestone
Experiments. An Early Modern Debate". Isis 86 (1995). 394-418, hier
S. 396-399, sowie Findlen, Paula. "Scientific Spectacle in Baroque
Rome: Athanasius Kircher and the Roman College Museum". Roma moderna
e contemporanea 3 (1995). 625-665, hier S. 654-655. Der Jesuitenpater
Dorville schickte am 1. Februar 1659 aus Macao einen Schlangenstein (PUG
562, f. 36r°).
[2]
Kircher, Athanasius: Magneticum naturæ regnum, sive Disceptatio
physiologia de triplici in natura rerum magnete. Rom: de Lazarus, 1667;
Amsterdam: Jansson & Weyerstraet, 1667
[3]
Esperienze intorno a diverse cose naturali, e particolarmente a quelle,
che ci son portate dall'Indie fatte da Francesco Redi e scritte in una
lettera al Reverendissimo Padre Atanasio Chircher [...] . Florenz: All'Insegna
della Nave, 1671.
[4]
Dazu Müller-Bahlke, Thomas J. Die Wunderkammer: Die Kunst- und Naturalienkammer
der Francke-schen Stiftungen zu Halle (Saale). Halle: Verlag der Franckeschen
Stiftungen, 1998. 16-17 und 29-31. Der Eintrag entstammt Gründler,
Gottfried August. (Handschriftlicher) Katalog B der Kunst- und Natura-lienkammer.
Halle: Franckesche Stiftungen, 1741. 172. Ich danke Herrn Dr. Thomas J.
Müller-Bahlke, Leiter des Archivs der Franckeschen Stiftungen, für
seine mehrfachen weiterführenden Hinweise.
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