Resümee

Ein Ausgangspunkt des Online-Workshops mit dem Titel „Materielle Praktiken im christlichen, jüdischen und muslimischen Europa der Frühen Neuzeit“ war die zunehmende Gewichtung der Materialität (material turn) im Feld der Erforschung von Religion. Einen weiteren Anlass zur Diskussion gaben die in der Anthropologie entwickelten Herangehensweisen, nach denen religiöse Emotionen durch materielle Praktiken entstehen und vermittelt durch diese in den Menschen gelangen. Die Wissenschaftler*innen aus den Disziplinen Geschichte, Kunstgeschichte, Ethnologie und Religionswissenschaft thematisierten zwei Tage lang die Weiterführung der Re-Materialisierung der religiösen Kulturen des frühneuzeitlichen Europas, die Frage nach dem Sinn einer vergleichenden Perspektive für die Genese von Emotionen im Christentum, Judentum und Islam sowie die möglichen Methoden und Ansätze für das Forschungsfeld.

Am ersten Tag des Workshops sprachen die Teilnehmenden nach einem Vortrag von Xenia von Tippelskirch mit dem Titel „Geistliche Dürre: Leiden unter Gottverlassenheit (Frankreich, 17.-18. Jahrhundert)“ über die Suche der behandelnden Ärzte des frühen 20. Jahrhunderts in Handbüchern aus der Feder von Priestern des 17. Jahrhunderts nach Erklärungen für religiös motivierte körperliche Zustände. Darüber hinaus zeichnete Anne Mariss in ihrem Vortrag die religiösen Objekte als Multisensorien. Sie machte deutlich, dass Betrachten, Riechen und Fühlen eines Rosenkranzes zusammen mit dem Beten religiöse Emotion erzeugt und eine Verbindung zum Transzendenten herstellt.

Den zweiten Tag des Workshops eröffnete der Vortrag von Cornelia Aust zum Thema „Den weiblichen jüdischen Körper bedecken: Emotionen in Kleidungspraktiken und
deren Regulierung“. Die Vortragende betonte, dass die Praktiken und Diskurse bei Kleiderregulierungen im Judentum eng verbunden waren.  Anschließend thematisierten die Teilnehmenden  gemeinsam mit Christine Göttler die religiöse Selbstvergewisserung von Neuchristen (Konversion vom Judentum zum Katholizismus) und stellten fest, dass diese immer mit materiellen Praktiken verknüpft war. Der Vortrag von Sara Kuehn „Extreme Ritual Actions: Pain and Religious Emotions in Rifaʿi Zikr Rituals (Remembrance of God) in Ottoman Turkey“ brachte die Erkenntnis, dass südosteuropäische islamische mystische Praktiken stets religiöse Emotionen durch ritualisierten Schmerz erzeugten. Abschließend rundete der Vortrag von Peter J. Bräunlein „Religionen und Emotionen in musealen Räumen. Anmerkungen zu einer problematischen Beziehung“ den Workshop mit der Feststellung ab, dass die Andachtsstätte Kunstmuseum auf das 19. Jahrhundert zurückgeht.

Das Fazit aller Teilnehmenden nach zwei anregenden Diskussionstagen fällt positiv aus: Materielle Praktiken und religiöse Emotion, daran wollen wir weiterarbeiten!

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